Interview

"Bestatter sollten Begleiter, nicht nur Organisatoren sein"

Bestattermeister Andreas Niehaus über schöne Beerdigungen, Trost bei Trauer und ein offenes Ohr für die Betroffenen.
Trauernde über die Beisetzung hinaus zu begleiten und ihnen Trost bei Trauer zu spenden – das ist der Anspruch von Bestatter Andreas Niehaus aus Bielefeld.
Foto: Stiftung Deutsche Bestattungskultur

Sie sind Bestattermeister, führen seit 2002 in dritter Generation ein Bestattungsunternehmen in Bielefeld. Und sagen: Wir haben ein offenes Ohr für Trauernde und möchten den Menschen über die Bestattung hinaus auch Angebote zur Trauerbewältigung machen. Weil Bestatter auch die Seele der Trauernden erreichen sollten. Trost bei Trauer spenden: Setzen Sie neue Zeichen in der Branche?

Ich sehe einfach den Bedarf und die Veränderungen in der Gesellschaft. In den Gesprächen, die meine Mitarbeiter und ich mit den Trauernden führen, merken wir, dass sich Menschen zum Teil ohnehin schon einsam und alleine fühlen – und nach einem Todesfall noch einmal besonders.

Wie zeigt sich das?

Eine ältere Dame sagte einmal zu uns: ,Es ist schön, mal wieder mit jemanden mehr zu sprechen, als nur mit der Kassiererin im Supermarkt über passendes Kleingeld.‘ Solche Aussagen machen uns nachdenklich und traurig. Deshalb ist es für uns wichtig, dass wir uns gerade nach einem Todesfall um die Trauernden kümmern. Wir nehmen uns ganz bewusst mal eine Stunde Zeit, wenn die Menschen kommen, um zum Beispiel die Danksagungen zu bestellen. Einfach, um für sie da zu sein.

Trost bei Trauer als Ihr Extra-Service über Ihre eigentliche Arbeit hinaus?

Ich glaube, es geht eines gerade grundsätzlich verloren: dass Menschen sich für Menschen Zeit nehmen. Man muss nicht immer mit allem Geld verdienen. Natürlich ist das, was wir tun, nur erste, anfängliche Nachsorge. Darüber hinaus muss man viel weiter und tiefer denken. Wir als Bestatter können und möchten den Menschen Angebote an die Hand geben, wo sie sich in ihrer Trauer wohl und aufgehoben fühlen.

Tun Ihnen die Gespräche mit den Betroffenen auch gut?

Ja, natürlich. Das ist nicht einseitig.                        

               
  • Die Bestattungsbranche muss neu denken.
  •            
  • Bestatter sollten auch die Seele der Trauernden ansprechen.
  •            
  • Und sie mit Angeboten zur Trauerbewältigung unterstützen.
  •            
  • Angebote wie von TrostHelden, der Vermittlung für Trauerfreundschaften.
  •            
  • Die Bestatterbranche hatte Trosthelden für den einzigartigen Ansatz ausgezeichnet.
  •    

Inwiefern?

Wir geben nicht nur den Trauernden etwas. Sie geben uns auch etwas, wenn sie uns bei dem Gespräch eine Rückmeldung geben, wie sie die Bestattung empfunden haben. Wenn sie zum Beispiel sagen, dass ihnen und den nächsten Angehörigen der Umgang gutgetan hat und wir ihnen geholfen haben. Und es ist sehr angenehm, wenn sie uns Jahre später einmal treffen und sie immer noch sagen, wie schön die Bestattung war.

Eine Beisetzung soll schön sein?

Viele Menschen sind unsicher, ob sie überhaupt so etwas sagen können. Ich denke: Wie jedes andere Familien- oder Freundesfest von Taufe bis Hochzeit soll auch eine Beerdigung schön sein. Sie muss schön sein. Auch wenn das natürlich im Zusammenhang mit dem Tod schwierig ist. Aber das ist unser Anspruch.

Seit wann haben Sie so ein offenes Ohr für die Menschen, die zu Ihnen kommen?

In meiner Generation war das in unserem Unternehmen immer eine zwischenmenschliche Selbstverständlichkeit. Mein Vater aber ist damit noch anders umgegangen. Zu seiner Zeit war der Bestatter der Organisator, bei dem die Menschen das Nötigste bestellt haben. Und die Kirche hat die große Aufgabe übernommen, sich um die Angehörigen und Trauernden zu kümmern. Das hat sich heute sehr geändert. Viele Menschen sind nicht mehr in der Kirche, werden nicht mehr in einer Gemeinde aufgefangen. Das fehlt.

Trauernde wünschen sich eine höhere Sensibilität für ihre Bedürfnisse in ihrer Situation. Muss sich das Verhalten der Bestatter also grundsätzlich ändern?

Es ändert sich schon. Viele Bestatter sind mehr an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Nicht alle, aber ich kenne viele, die sich in dieser Richtung bewegen. Sie gehen anders mit Abschied, Tod und Trauer um und wollen nicht mehr nur Organisator sein. Sondern auch die Seele ansprechen, Trost bei Trauer spenden. Und ein Begleiter sein.

Sie und einige Kollegen sind Vorreiter. Aber reicht das? Oder muss die gesamte Bestattungsbranche ganz neu denken?

(Pause) Ja, muss sie. Die Bestattungsbranche muss neu denken. Ich bin im Kuratorium der Stiftung Deutsche Bestattungskultur aktiv. Dadurch beschäftige ich mich in Bezug auf Bestattungen mit vielen Denkweisen und Ansätzen. So machen sich Menschen unter anderem im Bereich der Bestattung selbstständig, weil sie alternative Beisetzungen anbieten möchten. Das habe ich nie verstanden.

Was ist damit genau gemeint?

Das habe ich mich auch gefragt. Was soll das überhaupt heißen: alternative Bestattungen? Dann lese ich, dass die Trauernden dabei vieles selber machen dürfen: den Sarg bemalen, beim Ankleiden des Verstorbenen dabei sein oder die Urne selbst zum Grab tragen dürfen. Und ich habe gedacht: Aber das ist doch genau das, was die Angehörigen bei mir auch tun können. Das bieten wir alles schon seit Jahren an. Genau diese speziellen Wünsche kristallisieren sich doch bei einem guten Beratungsgespräch heraus. Ich gehe ja nicht einfach meinen Zettel durch und hake ab. Die Angehörigen können in dem Gespräch von dem Verstorbenen erzählen. Denn jeder Mensch hat eine Geschichte. Dabei erfährt man, was diesem Menschen wichtig gewesen ist oder sein kann.

Da haben Sie gemerkt, dass Sie immer nur von sich ausgegangen sind?

Ja, genau. Viele Bestatterkollegen bieten Betroffenen eben nicht an, etwas individuell zu tun. Da wird ein Schema abgearbeitet, dann schicken sie die Rechnung, erledigt. Ich bin überzeugt, dass sich die Bestatterbranche öffnen und persönlicher werden muss.

Die Bestatter müssen erst mal gar nichts. Sie können nach Schema F vorgehen. Was sollen sie sich groß Mühe geben, wenn sie auch einfacher ihr Geld verdienen können. Die Menschen brauchen ihre Dienstleistung ...

Das wird sich ändern. Die Leute kommen irgendwann nicht mehr. Wer zukunftsorientiert ist, kommt so nicht weit. Und ganz ehrlich: Wer so handelt, ist nicht an der Menschlichkeit orientiert. Da fehlt es an Herzlichkeit und innerer Wärme. Das merken trauernde Menschen ganz schnell.                       

Grabgesteck mit kunterbunten Blumen in Form eines Schmetterlings
 Die gesamte Bestattungsbranche muss neu denken – und auch kreative Ideen zulassen.        © Foto: Katrin Niehaus

Weil auch über das Tabu-Trauer mehr gesprochen wird?

Trauer ist heute viel anerkannter, trotz aller Berührungsängste. Man geht anders mit Trauer um. Trauer ist als Krankheit anerkannt. Es gibt viele weitreichende Angebote für Trauernde. Trauer ist gesellschaftsfähig geworden, wenn man so will. Die Menschen trauen sich, über Trauer zu reden. Wenn auch oft noch viel zu wenig.

Wie viele Bestatter gibt es in Deutschland?

Im Bundesverband der Bestatter sind zirka 3.500 Bestatter organisiert, mit den Filialbetrieben sind es 4.500. Das entspricht rund 85 % aller Bestatter hierzulande.

Wie viele von ihnen denken um?

Das kann ich nicht einschätzen. Vielen fehlt vielleicht manchmal einfach die Zeit. Deshalb ist es gut, dass es so etwas wie die TrostHelden gibt, die die Bestatter unterstützen können. Solche hilfreichen Angebote können Bestatter aufnehmen und an die Trauernden weitergeben. Denn das ist etwas, was den betroffenen Menschen weiterhilft, wo sie sich als Bestatter dann nicht auch noch drum kümmern müssen.

"Unsere menschliche Kultur bemisst sich daran, wie wir mit unseren Toten umgehen", heißt es. Wie gehen wir in Deutschland mit unseren Toten um?

Schlecht. Es fehlt oft Pietät. Es fehlt oft Mitgefühl. Es fehlt oft Respekt. Die Würde des Menschen ist unantastbar auch nach dem Tod. Damit gehen wir nicht immer so würdig um. Insofern haben wir auch da Nachholbedarf.

Wie erreichen Sie die Bestatter, die umdenken sollten?

Wir haben in unserem Verband das monatliche Heft "Bestattungskultur" sowie Online-Veranstaltungen, wo wir viel darüber berichten, was man gut machen kann, was man besser machen kann, welche Leuchtturmprojekte es gibt – wie etwa die Trauerhaltestelle in Hamburg auf dem Ohlsdorfer Friedhof. An solchen Projekten sieht man, was die Menschen wirklich brauchen. Fest steht, dass die weichen Faktoren, über die wir gerade sprechen, zunehmend eine bedeutende Rolle spielen.

Da kommt auch Start-ups wie TrostHelden diese große Bedeutung zu?

TrostHelden ist ein so tolles Projekt. Deshalb haben wir den TrostHelden bei der diesjährigen Preisverleihung der Stiftung Deutsche Bestattungskultur im Rahmen der Veranstaltung "Tod(t)al digital" den 1. Preis verliehen. Die Möglichkeit, einen Trauer-Zwilling zu finden, empfinden wir als sehr wichtig.

Und wir freuen uns, dass die Messegesellschaft auch gleich angeboten hat, TrostHelden bei der nächsten Bestattungsmesse BEFA Forum in Hamburg kostenlos einen Messestand zur Verfügung zu stellen. Wir als Bestatter sollten ein offenes Ohr haben für die Bedürfnisse der Menschen und Angebote wie TrostHelden an Trauernde weitergeben.

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